WWF kritisiert deutsche EU-Ratspräsidentschaft für ambitionslose Verhandlungsführung / EU-Agrarrat bremst ökologische und soziale Reform der GAP aus / EU-Parlament muss dagegenhalten

Berlin, 15. 10.2020: Die Agrarminister:innen der EU-Mitgliedstaaten befassen sich am 19./20. Oktober letztmalig unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020. Der WWF Deutschland kritisiert erneut die ambitionslose Verhandlungsführung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. „Dank Deutschland haben die Gegnerinnen und Gegner einer ökologischen und sozialen Trendwende in der europäischen Landwirtschaftspolitik leichtes Spiel. Bleibt der EU-Agrarrat auf seinem bisherigen Kurs, zerstört er damit Natur, befeuert die Klimakrise und finanziert das einseitige Wachstum großer Agrarkonzerne auf Kosten kleiner landwirtschaftlicher Betriebe“, so WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich.

Die aktuelle Kompromisslinie im Agrarrat lässt erkennen, dass nur 20 Prozent der Direktzahlungen als Eco Schemes künftig verbindlich für Umwelt- und Klimamaßnahmen reserviert werden sollen. Um ausreichende Wirkung zu entfalten, müssten es eigentlich 50 Prozent sein, als minimaler Einstieg gerade noch akzeptabel sind aus Sicht des WWF mindestens 30 Prozent. Und: sie müssen für alle Mitgliedstaaten verpflichtend sein. Vor wenigen Tagen haben auch die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina, die Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften in einer gemeinsamen Stellungnahme eine unmittelbare Kopplung der EU-Direktzahlungen an erbrachte und messbare Ökosystemleistungen und das Ende rein flächengebundener Subventionen gefordert.

Bei der Gestaltung des prozentualen Mindestanteils von nichtproduktiven Flächen (GLÖZ 9) appelliert der WWF an den EU-Agrarrat, sich endlich an den naturschutzfachlichen Realitäten zu orientieren. „Mindestens zehn Prozent der Flächen müssen wirklich naturbelassen sein, sonst gibt es keine positiven Effekte für den Artenschutz. Der Anbau von Zwischenfrüchten und Leguminosen auf solchen Flächen bringt keinen ökologischen Mehrwert“, so Heinrich vom WWF. Auch der Europäische Rechnungshof hatte der bisherigen Praxis des sogenannten Greenings Wirkungslosigkeit attestiert.

Bleibt es bei den Vorschlägen des EU-Agrarrats, kommt dem Europäischen Parlament mit Blick auf die sich anschließenden Trilogverhandlungen eine entscheidende Rolle zu als mögliches ökologisches Gegengewicht zur Blockadepolitik der EU-Mitgliedsstaaten. Es befasst sich kommende Woche ebenfalls mit der EU-Agrarreform. Derzeit ist nicht erkennbar, dass die Parlamentarier:innen an ihre fortschrittliche EU-Parlamentsentscheidung eines 60-Prozent-Klimaziels anknüpfen. Zu unterschiedlich und widersprüchlich sind die Positionen der jeweiligen Gruppen im Parlament. Auch hier fordert der WWF, dass die Entscheidung des Parlaments insbesondere im Hinblick auf die Eco Schemes und die nichtproduktiven Flächen (GLÖZ 9) deutlich ambitionierter ist. „Wer richtigerweise das EU-Klimaschutzziel auf 60 Prozent anheben will, der darf nicht wenige Tage später beim ersten Stresstest einknicken, sondern muss die europäische Agrarpolitik folgerichtig an diesem Ziel ausrichten“, so Christoph Heinrich.

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Wiebke Elbe

Pressesprecherin, Berlin